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Grenzüberschreitung - literarisch und wörtlich

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Literatur, interkulturell vermittelt: Farimar Ima, Azizullah Ima, Andreas Neeser und Moderator Manfred Papst.

«Grenzen» hiess bezeichnenderweise die erste Miniatur, die Azizullah Ima an der Doppellesung im Literaturhaus Zentralschweiz in Kooperation mit der Literaturgesellschaft Luzern auf Persisch vortrug. Die literarische Antwort von Andreas Neeser lautete etwas enigmatisch X0791832. Das Verbindende dabei war der Reisepass. Während bei Ima «der Pass Wunden nicht als Merkmal» führt, ist das Ich-Bild bei Neeser «behördlich geprüft und vermessen / gestempelt fürs Leben».

Die Lesung und das Buch, aus dem die beiden vortrugen, entstand aus einem Projekt von Weiter Schreiben Schweiz, das Exilautoren und -autorinnen mit Schweizer Schriftsteller:innen verbindet. Azizullah Ima floh 1996 vor den Taliban als 33-Jähriger mit der Familie aus Afghanistan und kam 1999 in die Schweiz. Zuvor war er in Kabul Chefredaktor einer Zeitung und angesehener Autor.

Ima und Neeser entwickelten gemeinsam die Idee zu den 30 Miniaturen, einem literarischen Gespräch, das soeben als Buch unter dem schönen Titel «Morgengrauengewässer» im Rotpunkt-Verlag erschienen ist. Die Regel war, dass jede Miniatur sich in irgendeiner Form auf die vorhergehende des «Tandempartners» beziehen musste und nicht mehr als willkürlich gewählte 14 Zeilen umfassen durfte. Das alles und viel mehr erfuhren die Zuhörenden durch die Fragen von Manfred Papst, der einfühlsam und kenntnisreich durch den Abend führte. Von ihm stammt auch das lesenswerte Vorwort des Buchs.

Für beide Autoren waren es Grenzüberschreitungen, inhaltlich wie formal, Annäherungen an die Welt des andern. «Ich bin zwischendurch an Grenzen gekommen», gestand Andreas Neeser, ehemaliger Leiter des Literaturhauses in Lenzburg. Aber er hat sie überschritten. Der kulturelle Unterschied, die verfügbare Bilderwelt, die ganz andere Erfahrungen zeigen sich wunderbar in den kurzen Texten, erhielten durch die zweisprachige Lesung eine ungeheure und berührende Dringlichkeit. Die persischen Texte wurden in der übersetzten Fassung von Imas Tochter Fariwar eindringlich vorgetragen. Während Neeser sich in seinen Miniaturen oft aphoristisch verdichtet äussert, das schreibende Ich miteinbezieht und die Sprache hinterfragt, sind Azizullah Imas Texte bildstark und von extremen Erfahrungen, von Schmerz und Leid geprägt. «Wir sind letzlich beide in unserer Welt geblieben», stellte Neeser fest, auch aus gegenseitigem Respekt. Und das ist gut so, denn ohne Anbiederung und Konkurrenz sind literarische Miniaturen entstanden, die einen Grenzen überschreitenden spannenden Dialog ermöglichten, der, wer weiss, in anderer Form weitergehen kann. Geblieben scheint eine Freundschaft, verbunden durch den sprachlichen Zugang zur Welt und vielleicht auch durch die Erfahrung, dass wir alle auch Fremde sind.

Der etwas abstrakte Begriff vom interkulturellen Dialog wurde an diesem Abend mit Leben gefüllt und das sprachliche «Haus», das Neeser und Ima bauten, öffnete Türen und Fenster, um das Bild von Manfred Papst abschliessend aufzunehmen.

25. September 2025 – Hans Beat Achermann (Text und Bild)

LiteraturGesellschaft Luzern

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