Lektüretipp von Hans Beat Achermann:
Fabio Andina: «Davonkommen»
Nach dem grossen Erfolg von «Tage mit Felice» hat sich der Tessiner Fabio Andina (der 2022 bei der LGL gelesen hat) an eine ganz andere Beziehungsgeschichte gemacht. War mit Felice ein alter, genügsamer und entschleunigter alter Mann das Gegenüber des Ich-Erzählers, so sind es diesmal in «Davonkommen» ein Kind, der Sohn des Erzählers, sowie dessen getrennt lebende Noch-Ehefrau. Der Erzähler, rausgeworfen aus der gemeinsamen Wohnung, zieht sich in die Berge zurück, pendelt an verschiedene Arbeitsorte, wo er als Wachmann arbeitet, und verbringt seine Freizeit vor allem bei Bieren in Bars. Nur die Stunden mit seinem kleinen Sohn setzen Glücksmomente zwischen das Unglück. Unruhig und dann wieder durch Medikamente sediert bringt er sein Elend in kurzen Sequenzen zu Papier, um langsam wieder zu sich zu finden, davonzukommen von der Sucht und dem Selbstmitleid. Der neue Roman von Andina zeigt sowohl sprachlich wie auch inhaltlich eine ganz andere Seite des Tessiner Autors: Die Unrast spiegelt sich in einer rasanten Sprache und einem hektischen Rhythmus. Am Schluss scheint es, als wäre der Erzähler schreibend doch noch einmal davongekommen. Die halsbrecherischen Fahrten mit dem alten Volvo werden weniger, der Scheidungstermin rückt näher, ein entschleunigtes Leben wie im ersten Roman scheint in Griff- und Sichtweite.
Der Filmwissenschaftler, Drehbuchautor und Schriftsteller Fabio Andina präsentiert im Rahmen von LiteraturLive am 2. Juni 2023 um 19 Uhr in der Stadtbibliothek seinen zweiten Roman «Davonkommen».
Moderation und Gespräch: Anina Barandun; Fabio Andina liest Ausschnitte auf Italienisch; Silvia Planzer die deutsche Übersetzung.
Die Tickets sind im Vorverkauf bei der Hirschmatt Buchhandlung (041 210 19 19) und der Stadtbibliothek Luzern (Bourbaki Panorama am Löwenplatz, 1. OG) erhältlich.
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